Kapitel 2

Kapitel 2

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Rückblick 🌀 Was geschah in Kapitel 1 ?

Acht Freunde. Ein altes Haus im Moor. Und ein Gefühl, das sich nicht vertreiben ließ.

Michel verschwindet über Nacht – spurlos.
Sein Bett gemacht. Die Schuhe unberührt. Die Jacke an der Tür.
Nur der Nebel blieb – dichter als je zuvor.

Im Keller findet Patrick einen Umschlag mit einem unheimlichen Satz:

„Ihr habt den Schlüssel verloren, aber der Raum ist noch da.“

Die Crew beginnt zu ahnen,
dass dieser Ort mehr ist als nur ein Haus.
Dass sie nicht allein sind.
Und dass das Spiel begonnen hat.

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🕯️Kapitel 2 – Teil 1 – Michaels Entscheidung

Sie saßen noch immer um denselben Tisch.
Aber es war nicht mehr dasselbe Sitzen.

Die Tassen in der Küche blieben unberührt, als wäre der Kaffee heute zu heiß für das, was unausgesprochen im Raum lag.
Der Nebel draußen war dicker geworden – so dick, dass man glauben konnte, die Welt höre hinter dem Fenster einfach auf.

Marius hatte einen Notizblock vor sich, als würde er gleich das Protokoll einer Sitzung schreiben.
Erik balancierte einen Löffel auf der Nase.
Patrick zählte still an den Fingern.
Alex starrte an die Decke und murmelte lateinische Sprichwörter, die er sich ausdachte.
Akin saß still.
Volli putzte das Buttermesser.
Michael filmte.
Und Michel… war nicht da.

„Okay“, sagte Marius, „wir sagen’s jetzt laut, sonst wird’s nicht real.“

Niemand sagte etwas. Nur das Haus atmete.

„Michel ist weg.“

Michael senkte die Kamera.
„Und er ist nicht der Typ für Spielchen.“

„Außer, er hat Wein gefunden. Dann sind Regeln ausgesetzt“, warf Alex ein.
„Oder es ist einer dieser ‘Rückzugsdinger’, die man nur in Podcasts hört“, murmelte Volli.

„Oder er wurde entführt“, sagte Patrick ruhig.
Der Satz blieb liegen, wie ein Fremdkörper.
Niemand wollte ihn anfassen.

Erik runzelte die Stirn.
„Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass Jens K. zurück ist?“
Volli schnaubte.
„Der kann nicht mal ein Zugticket richtig buchen. Der plant keine Entführung.“

Akin stand auf.
Ging zum Fenster.
„Ich glaub nicht, dass es um jemanden geht. Ich glaub, es geht um das Haus.“

Stille.

Später.
Im Nebeneingang, hinter der alten Vorratskammer.

Die Tür zum Keller stand offen.
Nicht weit. Nur einen Spalt. Aber genug, dass man dachte:

„Gestern war sie zu.“
„Heute nicht.“
„Warum?“

Marius hatte das letzte Kapitel in seinem Block beendet mit den Worten:
„Ihr habt den Schlüssel verloren, aber der Raum ist noch da.“

Jetzt standen sie da.

Erik mit verschränkten Armen.
Patrick mit zusammengekniffenen Augen.
Akin barfuß, wie immer.
Michael mit Kamera.
Alex mit einem halben Baguette.
Und ich?
Ich stand auf dem Flursims.
Golden. Still. Bereit.

„Also was jetzt?“, fragte Alex.
„Einer muss runter“, sagte Patrick.
„Nicht alle?“
„Gruppendynamisch unklug. Wenn’s gefährlich ist, sind acht weg. Dann ist niemand mehr da, um zu erzählen.“

„Und wenn es sicher ist?“, fragte Volli.
„Dann war’s wenigstens spannend“, antwortete Erik.

„Also los“, sagte Marius. „Wir stimmen nicht ab. Wir fragen nur: Wer spürt’s?“

Michael hob langsam die Hand.
„Ich.“

Erik legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Du gehst da nicht rein, um was zu filmen. Du gehst da rein, weil es dich zieht, oder?“
Michael nickte.

„Dann geh“, sagte Akin.
„Aber nicht mit Angst. Mit Neugier.“

Die Kellertür krächzte, als Michael sie aufstieß.

Die Treppe knarzte unter seinem Gewicht.
Die Lampe über ihm flackerte.
Spinnweben zogen sich wie alte Geschichten durch die Ecken.
Er filmte nicht mehr.

Sein Atem war sichtbar.
Die Luft war kühl – aber nicht kalt.
Feucht – aber nicht nass.
Mehr wie… erwartungsvoll.

Links: ein Regal mit leeren Gläsern.
Rechts: ein Sack Kartoffeln, verdorrt.
Vorn: eine Wand.
Fast.

Denn da war…

Ein Luftzug.
Ein Riss.
Ein Spalt.

Er legte die Hand an die Mauer.
Sie war nicht ganz fest.
Er schob.

Ein Teil der Wand gab nach.
Ein Durchgang.
Verdeckt, grob, mit Spinnweben verhangen.
Dahinter: Dunkel.

Michael atmete einmal tief ein.

Und ging.

Teil 2 – Unter der Oberfläche

Der Gang roch nach altem Moos, nach Metall und Dingen, die man nicht benennen kann, ohne dass es unheimlich wird.

Michael tastete sich voran.
Seine Schritte auf dem feuchten Steinboden klangen zu laut, zu allein.
Über ihm, irgendwo in weiter Ferne: die Küche, Stimmen, Licht.

Aber hier unten?

Nichts.

Nur Tropfen.
Ein leises Ziehen in der Luft.
Und das Gefühl, dass der Gang nicht einfach irgendwohin führte – sondern jemanden zu sich rief.

Er versuchte, logisch zu denken.

Vielleicht war das alles ein Teil des alten Hauses.
Ein ehemaliger Kühlraum. Ein Fluchttunnel.
Aber warum dann die Kratzspuren an der Wand?
Warum die Seile am Boden?

Er bog ab.
Ein Raum öffnete sich.

Schmal.
Feucht.
Mit einer Bank aus rohem Holz und –

Drei zerstörte Stühle.

Einer lag flach am Boden.
Einer war aufgebrochen, als hätte jemand mit Wucht darauf eingeschlagen.
Der dritte… war angekokelt.

Michael stand still.

Drei.

Drei Stühle.
Drei, die nicht mehr dabei sind?

Michel.
Sebastian K.
Jens K.?

Oder war das zu einfach?

Er ging weiter.
Der Tunnel senkte sich nun leicht.
Wasser tropfte von der Decke.
Er fühlte: Hier war niemand vor ihm.
Oder jemand – und lange nicht mehr.

Nach vielleicht zehn Minuten – oder einer Ewigkeit – kam ein Lichtschein.
Schwach.
Golden.
Zitternd wie eine Erinnerung.

Michael trat durch eine rostige Gittertür –
und war draußen.

Oder?

Nicht ganz.
Er war unter dem Moor.
Oder besser: in einem Raum, der in die Erde gedrückt war, mit feuchten Mauern und einem einzigen Ausgang: eine schiefe Leiter nach oben.

Oben: eine Luke.

Er stieg.
Langsam.
Leise.

Die Luke klemmte.
Er schob.
Presste.
Sie gab nach.

Und er stieg in eine Hütte.

Die Hütte war winzig.
Ein einziger Raum.
Ein Fenster, mit Brettern vernagelt.
Ein Tisch, alt und verkratzt.
Darauf: Ein altes Brotmesser.
Daneben: getrocknetes Blut.
Auf dem Boden: Kreidekreise.
An der Wand: Ein einzelner Name, eingeritzt.

„MICHEL“

Michael blieb stehen.
Ein Schauer fuhr ihm den Rücken hinunter.

Dann hörte er etwas.

Ein Atmen.
Zitternd.
Flach.
Versteckt.

Er drehte sich um.
Hinter einem Vorhang, zerschlissen wie ein vergessener Mantel – lag jemand.

Michel.

Eingekauert. Blass.
Die Augen halb offen, halb woanders.

Michael kniete sich hin.

„Michel? Hey! Ich bin’s. Michael. Alles gut. Du bist nicht allein.“

Michel bewegte sich kaum.
Seine Stimme kam brüchig.

„Das… das Haus… ist nicht nur ein Haus…“

„Ich hol die anderen. Warte.“

„Nein!“ Michel packte sein Handgelenk – überraschend fest.
„Du darfst den Weg nicht zurückgehen.“

Michael starrte ihn an.
„Wieso?“

„Weil… es dich sonst auch nimmt.“

Oben am Himmel, über dem Moor, zog sich der Nebel zusammen.
Und ich, Kroko, saß auf dem Fenstersims, tief im Haus,
und wusste:

Der erste ist gefunden.
Aber das Spiel ist noch nicht vorbei.

Teil 3 – Drei Stühle

Michael hatte es zurückgeschafft.

Nicht durch den Tunnel.
Nicht durch das, was Michel die „dunkle Richtung“ genannt hatte.

Sondern über einen schmalen Pfad, den er draußen entdeckte, hinter der Hütte, durchs kniehohe Moorgras, am Wasser vorbei – schweigend, zitternd, mit Michel halb gestützt, halb getragen.

Niemand hatte sie erwartet.
Denn niemand wusste, dass sie zurückkamen.
Noch nicht.

„Tür auf!“, rief Michael, als sie endlich das Haus erreichten.
Es war kurz nach drei. Nachmittag oder Nacht? Schwer zu sagen im Nebel.

Patrick öffnete zuerst.
Dann Alex.
Dann der Rest.

Und da stand er:
Michel, auf wackeligen Beinen, bleich wie Kreide,
mit Blut am Ärmel und einem Blick, der etwas gesehen hatte,
was man nicht mehr abschüttelt.

„Heilige Scheiße“, flüsterte Volli.
Erik war der Erste, der sich bewegte.
Er nahm Michel das Gewicht ab, führte ihn auf den Küchenstuhl –
den einzigen, der keine Lehne hatte.
„Künstlerstuhl“, hatte Michel ihn früher genannt.

Jetzt sagte keiner mehr etwas.

„Wo warst du?“, fragte Marius, nachdem Michel ein Glas Wasser und einen halben Keks intus hatte.
„Und was ist passiert?“

Michel sah nur Michael an.
Dann nickte er.
Michael erzählte.

Alles.
Den Tunnel.
Die Hütte.
Den Namen an der Wand.
Das Messer.
Die Kreise.
Das Flüstern.

Und die drei Stühle.

„Drei?“ fragte Akin.
Michael nickte.
„Einer war durchbrochen, einer verbrannt… einer war einfach nicht mehr da. Nur noch ein Abdruck im Staub.“

„Wie ein… Ritual?“, flüsterte Volli.
„Oder ein Code“, murmelte Patrick. „Drei Verschwundene, drei Zeichen.“

„Wen meinst du?“, fragte Alex.
Patrick antwortete nicht sofort.
Dann:
„Michel. Klar.
Aber davor… wir hatten zwei, die gegangen sind. Sebastian. Und Jens K.“

Stille.
Alle dachten es – keiner hatte es bisher ausgesprochen.

Erik schnaubte.
„Du meinst, das Moor rächt sich an Austritten? Was ist das hier – ein Kult?“

„Nein“, sagte Akin. „Aber… vielleicht ist das Haus nicht nur ein Ort. Vielleicht ist es ein Spiegel. Und wir… tragen alle was, das gesehen werden will.“

Alex rieb sich über die Augen.
„Okay. Das ist mir zu spirituell. Ich geh kochen.“

„Mach Pasta“, sagte Marius.
„Pasta gegen Paranoia.“

Während Erik in der Küche half und Alex das Wasser zum Kochen brachte, blieben drei am Tisch zurück:

Michael, Michel und Patrick.

„Was meinst du mit ‚der Raum ist noch da‘?“, fragte Michael leise.

Patrick schaute ihn an.
„Ich glaube… es gibt etwas, das wir vergessen haben. Etwas aus der Vergangenheit. Vielleicht sogar von früher. Und das Haus erinnert sich.
Mehr als wir.“

Michel sagte nichts.
Aber sein Blick wanderte zum Flur.
Zur Kellertür.
Und ich schwöre – für einen Moment zuckte er zusammen.

Ich saß da, auf dem Sims,
mein Maul leicht offen,
die Augen aus Gold.

Und ich wusste:
Sie waren wieder zu acht.
Doch irgendwas hatte sich verändert.

Es fehlte keiner mehr –
aber etwas war zurückgekehrt,
das nie hätte wiederkommen dürfen.

Teil 4 – Das Klopfen

Die Nacht war schwer.

Nicht laut – nicht dramatisch –
aber voll.
Wie ein Raum, in dem jemand zu atmen versucht, ohne gesehen zu werden.

Das Abendessen war schweigend verlaufen.
Selbst die Nudeln waren still geblieben.

Michel hatte sich früh hingelegt.
Erik hatte ihm eine Wärmflasche gemacht.
Alex hatte ein Kissen gebracht, das „nicht so nach Angst riecht“.
Michael hatte ein altes Shirt unter das Kopfende gelegt – „für Halt“.

Der Rest saß in Grüppchen:
Patrick allein im Wohnzimmer.
Akin meditierend im Sessel.
Marius mit einem Zettel, auf dem er nur ein Wort schrieb:

Erinnerung

Volli zählte die Stühle.
Mehrmals.

Und dann… kam das Klopfen.

Drei Mal.
Gleichmäßig.
Nicht hektisch.
Nicht fordernd.

Sondern wie ein stilles Nicken.
Ein: „Ich weiß, dass ihr da seid.“

Sie sahen sich an.
Einer nach dem anderen.

Michael stand auf.
Langsam.
„Nicht du“, sagte Erik.

„Doch“, sagte Michael. „Ich will sehen, ob es echt ist.“

Er öffnete die Tür.
Draußen: Nebel.
Natürlich.
Aber dichter.
Schwärzer.

Am Boden: ein Gegenstand.
Kein Umschlag diesmal.
Ein Objekt.

Er bückte sich.
Hob es auf.

Ein Miniaturstuhl.
Aus Holz.
Zerbrochen.
Bemalt in gold.

„Das ist ein Scherz, oder?“, fragte Alex später.

Aber niemand antwortete.

Denn in der Ecke, am Kamin, stand jetzt ein alter Stuhl, den niemand vorher gesehen hatte.
Und auf ihm:
Etwas eingeritzt.

„Du hast gewählt.“

In der Nacht konnte keiner schlafen.

Akin stand auf und ging barfuß durch das Haus.
Er murmelte.
Betete.
Oder sprach mit jemandem, den nur er hören konnte.

Erik schrieb.
Ein Gedicht. Oder ein Hilferuf.
Oder beides.

Patrick ging systematisch durch die Räume.
Wie früher.
Wie im Dienst.

Alex spielte einen Ton auf dem Klavier –
tief, allein, vibrierend.

Michael saß auf seinem Bett.
Die Kamera neben ihm.
Das Licht aus.

Nur ich –
Kroko –
blieb dort, wo ich war.

Auf dem Fenstersims.
Still.
Golden.
Wach.

Und ich wusste:
Die Regeln ändern sich.
Und wer sie nicht kennt,
wird zum Teil des Spiels.

Ende Kapitel 2

Ende Kapitel 1

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